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Interview mit „147 Rat auf Draht“-Psychologin Elke Prochazka

Portrait der Psychologin Elke Prochazka

Die Corona-Krise hat unser aller Leben verändert. Die „Neue Normalität“ ist ein Schlagwort geworden und niemand weiß, ob es die „alte“ Normalität je wieder geben wird beziehungsweise wie sich langfristig unser Alltag verändern wird. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist dabei nur ein kleiner Nebenschauplatz – viel bedeutender sind die Auswirkungen auf die wirtschaftliche, die soziale und die gesellschaftliche Situation. Dabei ist die Mediennutzung in allen Aspekten von großer Bedeutung. Die „147 Rat auf Draht“-Psychologin Elke Prochazka beantwortet der BuPP in einem Interview Fragen zu den Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen und was man für die „Zeit danach“ lernen und mitnehmen kann.

BuPP: Was ist hinsichtlich Mediennutzung Wunsch und was Realität im Corona-Homeoffice-Kinderbetreuungs-Alltag? Gibt es (überhaupt) Unterschiede in der Mediennutzung zu "vorher"? Soll/darf es anders sein? Was kann man aus den Erfahrungen der letzten Wochen für die Zukunft mitnehmen?

Mag.a Elke Prochazka:
Gerade in der Zeit ist es wichtig, bei der Mediennutzung zu unterscheiden, was gemacht wird. Denn wird z.B. mit Freundinnen und Freunden video telefoniert, aktiv YouTube Videos geschaut, um eine Schulaufgabe zu verstehen oder sich beim Gitarre spielen zu verbessern beziehungsweise mit den Großeltern über WhatsApp Kontakt gehalten, dann ist das zwar alles Medienzeit, aber eine sehr aktive Zeit. Jugendliche haben auch zum Teil begonnen nach YouTube Anleitung zu kochen. Es geht darum, zu unterscheiden, werden Medien in dieser Zeit aktiv oder passiv genützt. Gängige Familienregeln sollten hier gänzlich neu für diese besondere Zeit umgeändert werden. Es muss okay sein, Medien mehr nützen zu dürfen. 

Auch Kleinkinder etwa können mittels digitaler Medien Kontakt zu den Großeltern halten, in dem sie z.B. virtuell gemeinsam Bücher lesen. So wird auch ein wenig Luft für die Eltern geschaffen.

Für die Zukunft kann man sich vielleicht mitnehmen, digitale Medien differenzierter zu betrachten. Welchen Nutzen haben sie für mich, für meine Kinder? Was habe ich vielleicht bis jetzt anders gesehen? Vielleicht ist es auch möglich, sich ehrlich mit dem Nachwuchs auszutauschen, wenn sich die eigene Sicht verändert hat, um gemeinsam neue Regeln aufzustellen. Was ist für mich überhaupt Medienkonsum. Wenn mein Kind mit einem YouTube Video kocht, ist das dann eigentlich eine online oder eine offline Tätigkeit?

Einige Jugendliche haben für sich auch festgestellt, wie viel einfacher es für sie ist, selbstbestimmt zu lernen. Die Möglichkeit zu haben, zu der Zeit zu lernen, in der es für sie am besten passt und auch in der Art und Weise, wie es ihnen entspricht. Gerade diese Erfahrungen aus dem Home Schooling wären sehr wichtig in den Schulalltag einfließen zu lassen. 

BuPP: Was sind Ihre wichtigsten Empfehlungen rund um digitale Spiele und wie sind diese (vor allem für Homeoffice-Eltern) umsetzbar?

Prochazka:
Meine wichtigste Empfehlung ist, sich für die Spiele des Nachwuchses zu interessieren. Sich davon erzählen zu lassen, zu versuchen, die Faszination zu verstehen. Oft werden digitale Spiele abgetan, als etwas generell Negatives. Gerade Jugendliche fühlen sich dadurch gänzlich unverstanden. Besonders auch dann, wenn gar nicht gesehen wird, welche vielfältigen Fähigkeiten es für viele Spiele braucht. Verständnis füreinander ist im gemeinsam zu Hause sein jetzt besonders wichtig. Gerade Jugendliche können beim gemeinsamen online Spielen auch Kontakt zu anderen Jugendlichen halten und mit ihnen so auf Distanz etwas gemeinsam machen. Gleichzeitig sollten trotz alledem auch medienfreie Zeiten möglich sein. Es ist auch wichtig, sich mit der Bandbreite der vielen verschiedenen Spielen auseinanderzusetzen. Die BuPP bietet dazu auch eine tolle Möglichkeit, gerade auch dann, wenn man sich noch gar nicht so sehr mit dem Thema der digitalen Spiele auseinander gesetzt hat. 

Vielleicht kann ein gemeinsames Spiel, bei dem man sich Familie einfach auch mal wieder gemeinsam lacht, alle für einen kurzen Moment den schwierigen Alltag vergessen lassen. Kinder erleben es oft übrigens als sehr erleichternd, zu sehen, wie viel schwerer Eltern das digitale Spielen fällt, als ihnen selbst. Erleben sie dies doch oft gänzlich anders. 

Eltern möchte ich vor allem den Druck nehmen, alles „perfekt“ erfüllen zu wollen. Es ist nicht möglich, Job und Kinder und Haushalt alles ganz einfach nebenbei zu erledigen. Es ist wichtig, sich das auch einzugestehen. Überlegen Sie genau, wo Abstriche möglich sind. Kann das Kleinkind mit der Oma ein Buch über WhatsApp lesen? Auch wenn Sie sonst gegen einen Medienkonsum im Kleinkindalter sind. Welche Sendungen kann Ihr Kind bewusst anschauen, wenn Sie konzentriert arbeiten müssen - vielleicht die Sendung mit der Maus in YouTube? Kann eine Kochbox oder das Bestellen von Essen Sie als Eltern oder auch Alleinerzieher/innen entlasten? 

BuPP: Worin sehen Sie angesichts der derzeitigen Lage die wichtigsten/kritischsten Aspekte im Zusammenhang mit Mediennutzung bei den unterschiedlichen Altersgruppen: Kleinkinder, Kinder, Jugendliche, Erwachsene/Eltern? Können Sie für jede Altersgruppe einige Mediennutzungs-Tipps geben? Inwiefern gelten diese auch für die „Zeit danach“?

Prochazka:
Kleinkinder: Es kann in dieser Ausnahmezeit okay sein, Kinder etwa mit anderen Familienmitgliedern virtuell Kontakt halten zu lassen, z.B. wenn Großeltern etwas vorsingen oder eben gemeinsam Buch lesen. Es kann auch okay sein, sie einzelne kurze Sendungen sehen oder Geschichten hören zu lassen. Hier müssen Eltern kein schlechtes Gewissen haben. 

Kinder: Für Kinder kann man die Zeit besonders nützen, um Ihnen auch einen aktiven Umgang mit Medien zu zeigen. Z.B. nach einer Anleitung etwas zu basteln, über Video Telefonie ein offline Spiel zu spielen und dann wieder gänzlich offline eine Höhle unter dem Tisch zu bauen. Es kann eine Chance sein, online und offline gleichwertig nebenbei existieren zu lassen. 

Jugendliche: Gerade in einer Zeit in der der Frust sehr groß ist, ist es wichtig, darauf zu achten, dass alle in der Familie, ganz besonders Jugendliche, Zeit für sich alleine haben. Es muss möglich sein, sich ungestört mit Freundinnen und Freunden austauschen zu können. Gleichzeitig sind Eltern oft ganz wichtig, um zu Möglichkeiten des Frustabbaus beizutragen und z.B. zum Sport, zur Badewanne oder auch zu einer Fantasiereise zu motivieren. Man erntet dabei nur äußerst selten Dankbarkeit, doch die veränderten Gesichtszüge zeigen dann doch des Öfteren, wie gut die Aktivität getan hat. Auch das Aufzeigen von Beratungsmöglichkeiten, die online genützt werden können, kann sehr hilfreich sein. Rat auf Draht hat etwa das Angebot der Chat Beratung stark erweitert.

Wichtig ist auch, das Thema der Fake News zu thematisieren und des Umgangs miteinander online. Eine Anregung, die ich für sehr wichtig halte, ist, Jugendliche zu motivieren, andere zu unterstützen, die angegriffen werden. Ihnen z.B. eine private Nachricht zu schicken, in der man schreibt, dass man es anders als die anderen sieht. Dass man es nicht okay findet, was passiert. Dadurch exponiert man sich selbst nicht und kann gleichzeitig aber der anderen Person zur Seite stehen.

Es ist eine Herausforderung für Jugendliche, die wenig Kontakt in ihrer Peer Gruppe haben. Sie können sehr leicht ausgeschlossen werden. Etwa aus Klassen WhatsApp Gruppen, wo dann gänzlich die Möglichkeit fehlt, sich über Aufgaben austauschen zu können. 

In Familien mit Gewaltpotential wird das Handy oft zu dem einzig möglichen Kanal, um sich Hilfe zu holen. Hier ist es unglaublich wichtig, dass wir als Gesellschaft Auffälligkeiten wahrnehmen und notfalls einschreiten, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, da das Handy manchmal auch abgenommen wird. 

Weiters ist es mit Sicherheit noch schwieriger, sich von digitalen Geräten zu lösen, wenn sie die einzig verbliebene Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt sind. Gleichzeitig bemerken wir aber auch bei Rat auf Draht, wie sehr sich die Generation, der man immer nachsagt, ohnehin nicht mehr „richtig zu kommunizieren“ unglaublich nach offline Kontakten zu Freundinnen und Freunden sehnt. Eine Vielzahl der Beratungen bei Rat auf Draht zeigt, wie stark das offline Treffen, vermisst wird.

Erwachsene: Es ist für uns alle wichtig, uns Zeit zu nehmen, wieder Ruhe in uns zu schaffen. Das kann mit ruhiger Musik, der Konzentration auf den Atem oder auch dem bewussten Wahrnehmen des Wassers auf der Haut beim Duschen gelingen. Egal ob mit Hilfe von oder ohne digitale Geräten, helfen uns diese Momente wieder klarer zu sehen. Gerade auch wenn im Moment eine große Herausforderung oder eine sehr angstmachende Situation bewältigt werden muss. 

BuPP: Teilen Sie eine herausfordernde und eine schöne Situation Ihres Mediennutzungsalltags der letzten "Bleibt-daheim-Wochen" mit uns - wenn Sie möchten.

Prochazka:
Eine große Herausforderung war es für mich, vor allem zu Beginn des Lockdowns mir gänzlich medienfreie Zeiten zu schaffen. Diese Zeit ist eine meiner arbeitsintensivsten überhaupt, nebenbei war auch das Kontakthalten mit Freundinnen und Freunden und sogar das Sport Ausüben vor allem digital möglich. Nach zwei Wochen habe ich bewusst, jeden Tag medienfreie Zeiten gesucht und es ist mir nicht immer leicht gefallen, sie auch einzuhalten. Ein besonders schöner Moment war für mich mein Geburtstag, an dem meine Freundinnen und Freunde virtuell eine unglaubliche Nähe geschaffen haben und als ich digital an einen meiner Lieblingsorte reisen konnte. 

 

Mag.a Elke Prochazka ist Klinische- und Gesundheitspsychologin, Beraterin bei "147 Rat auf Draht", Lerntherapeutin, und zertifizierte Saferinternet.at-Trainerin.

Für die BuPP stellte Mag.a Karina Kaiser-Fallent die Fragen.